✨ Meine Hunde – eine warmherzige Lebensgeschichte ✨(Mira)

Mira – meine größte Lehrerin

Mira zog im April 2012 bei uns ein, fünf Monate alt, ein Galgo-Mix aus dem spanischen Tierschutz. Sie hatte nie wirklich Schlimmes erlebt, aber in einer Phase, in der Bindung, Orientierung und sozialer Kontakt entscheidend sind, hatte sie einfach zu wenig von allem. Und dieses „zu wenig“ trug sie sichtbar und spürbar in die Welt.

Wir holten sie aus einer Pflegestelle mit rund dreißig Hunden und zwei Würfen. Mira und ihre Geschwister stammten aus Alicante, gemeinsam mit ihrer Mutter nach Deutschland gebracht, um eine Chance auf ein anderes Leben zu bekommen. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber sicher nicht das, was kam.

Das Abholen war ein Schock. Mira schrie, wand sich, machte vor Angst unter sich, völlig überfordert vom Kontakt, von der Berührung, von dem Moment an sich. In ihren Augen war alles zu viel. Für einen kurzen Moment wussten wir nicht, ob wir das schaffen würden. Doch sobald sie im Auto saß, kroch sie auf den Schoß meines Mannes und schlief ein. Als hätte dieser Ort – das Auto, dieser Mensch – eine Art Zwischenraum geschaffen, den sie ertragen konnte. Das Auto wurde ihr sicherer Hafen. Mein Mann wurde ihr Mensch.

Zuhause zeigte sich schnell, dass sie zwei Seiten hatte: drinnen fröhlich, verspielt, neugierig – ein junger Hund, der leben wollte. Draußen stand sie still, erstarrte, schrie. Die Welt war zu laut, zu schnell, zu nah. Also verlegten wir die ersten Spaziergänge in die Nacht. Weniger Reize, weniger Welt. Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug. Kein Fortschritt in großen Etappen, sondern in Momenten, die vielleicht nur wir wahrgenommen haben.

Mira liebte oder hasste mit voller Intensität. Kompromisse waren nicht ihr Gebiet. Sie war feinfühlig, tief, klug, verletzlich und so wach, dass man sich manchmal gefragt hat, wo sie all das in sich unterbringt. Sie war die Hündin, die im Raum stand und wusste, wie es jedem ging. Nicht, weil sie es „trainiert“ hatte, sondern weil sie so war. Wir nannten sie irgendwann „unsere Krankenschwester“, weil sie bei Menschen blieb, wenn etwas nicht stimmte, weil sie Hunde ordnete, ohne etwas zu tun, und weil sie Situationen erkannte, bevor wir sie überhaupt benennen konnten.

Nach Hundesozialstrukturen wurde sie als Visionärin eingeschätzt – und es passte. Sie sah die Welt nicht in Handlungen, sondern in Schwingungen. Nicht in Verhalten, sondern in Energie. Und es gab keinen Moment, in dem sie nicht mindestens drei Schritte weiter war als wir.

Mit Mira bin ich an meine Grenzen gekommen. Nicht, weil sie „zu viel“ war, sondern weil sie mich zwang, genauer hinzusehen. Nicht auf sie – sondern auf mich. Sie hat mich nicht zu einer besseren Trainerin gemacht, weil das romantisch klingt, sondern weil es ohne Wachstum nicht gegangen wäre. Sie brauchte jemanden, der fein genug fühlt, um sie nicht zu verlieren, und klar genug steht, damit sie sich halten konnte. Und das war Arbeit. Ehrliche, konsequente, manchmal frustrierende Arbeit. Und auch Liebe. Eine Liebe, die nicht leicht war, aber nah.

Fast genau vier Monate nach Leyla mussten wir auch Mira gehen lassen. Am 05.01.2025. Ein weiterer Abschied, der sich wie ein Kapitelende angefühlt hat. Das Kleeblatt aus Bonny, Mira, Leyla und Morgan – unsere kleine Welt – existiert jetzt nur noch in Erinnerung und im Gefühl. Nicht mehr im Alltag, aber immer noch in uns.

Wenn ich an Mira denke, dann denke ich nicht daran, was sie „mit mir gemacht“ hat, sondern daran, wer sie war: feinfühlig, verletzlich, weise, fordernd, klar. Ein Hund, der einen nicht sich selbst überlässt. Und vielleicht ist das das größte Geschenk, das ein Hund einem machen kann.

Mira – eine Visionärin.
Meine größte Lehrerin.
Eine Liebe, die bleibt.